Dieser Tage wird – sicher auch bedingt durch den Aufruf zur Blogparade von Mike Schnoor – wieder sehr viel über das Thema „Blogger Relations“ gesprochen. Jüngst hat die Hamburger Agentur achtung! sogar einen „Bloggerkodex (beta)“ veröffentlicht, welcher Grundsätze für die Mikrozielgruppenansprache formuliert und für die achtung!-Mitarbeiter als Richtschnur dienen soll.
Viel Unsicherheit bei einer eigentlich ganz einfachen Sache
Ich war lange Zeit hin und hergerissen, ob es all diese Diskussionen und Auseinandersetzungen wirklich braucht: Es handelt sich doch bei den Dingen, die momentan bei Blogger Relations schieflaufen, eigentlich um Dinge, die der gesunde Menschenverstand vorgibt: Denn Blogger sind auch einfach Menschen, die mit Respekt und Höflichkeit behandelt werden möchten. Sie sind zwar (in den meisten Fällen) keine Journalisten und Berufsblogger (solche, die ihren Lebensunterhalt mit dem Bloggen bestreiten), aber sollten ebenso ernstgenommen werden. Soweit so selbstverständlich!
Aber falsch gedacht, irgendwie scheint das Thema „Blogger Relations“ in der Praxis ein Riesenproblem zu sein: Die Ansprache mit langweiligen Pressemitteilungen und nach dem Gießkannenprinzip („Sie bloggt Kochrezepte, da ist sie sicher auch an einer Diät-App interessiert“) kommt leider häufiger vor als man denkt. Da werden Bloggern einfach Pressemitteilungen zugesandt – unabhängig davon, ob die Meldung thematisch zum Blog passt oder nicht. Liebe Unternehmen, lasst Euch gesagt sein: Blogger Relations sind weit mehr, als einfach eine Pressemitteilung in Kombination mit einer vertraulichen Du-Anspache zu verschicken (By the way, nicht jeder Blogger möchte automatisch geduzt werden. ).
Blogger Relations versus Influencer Relations
„Blogger Relations“ als Begriff ist für mich darüber hinaus nicht weit genug gefasst: Als Kommunikatoren sprechen wir unter anderem auch Twitterer, Plusser und Podcaster an, die vielleicht kein eigenes Blog im klassischen Sinne betreiben, aber dennoch eine relevante Leserschaft oder Hörerschaft haben. Johannes Lenz brachte die Thematik kürzlich auf den Punkt und ich muss ihm hier zustimmen: Die Fokussierung nur auf Multiplikatoren mit eigenem Blog greift zu kurz.
Auch das Thema Bewegtbild wird immer relevanter. Es gibt Youtuber, die eine Reichweite haben, die den Formaten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen locker das Wasser reichen kann. Beispielsweise haben Deutschlands bekannteste Youtuber, das Trio Y-Titty, aktuell mehr als 2,5 Millionen Abonnenten. Youtuber sind, auch wenn sie keine eigenen Blogs betreiben, so ganz klar Influencer im von Johannes genannten Sinne und daher für Unternehmen potenziell hochinteressant. Überflüssig zu sagen, dass die Youtuber eher nicht eine vom Unternehmen zugesandte Pressemitteilung in ihrem Youtube-Kanal verlesen werden. Und sollte das doch einmal vorkommen, dann wahrscheinlich als Parodie, und das Unternehmen kann sich schon mal warm anziehen.
Der Schritt aufs nächste Level…
Leider sind viele Unternehmen noch zu sehr in der klassischen PR-Denke verhaftet. Der Umgang mit dem unbekannten Wesen “Blogger” fällt schwer. In diesen Zeiten, in denen der digitale Wandel so rasch voranschreitet und jeder potenziell ein Prosument ist und Inhalte (“User Generated Content”) ins Internet stellen kann, sind Unternehmen gefordert sich den neuen Herausforderungen zu stellen. Ich kann nur jedem empfehlen, sich mit dieser Thematik intensiv auseinanderzusetzen. Daher hier zwei Tipps für einen ersten Schritt zu mehr Verständnis zum Thema Bloggeransprache:
1.) Lernen durch Best Practice Beispiele: Es gibt schon einige Unternehmen, die sehr vorbildlich Blogger Relations betreiben., so z.B. SportScheck.
2.) Auch mal die andere Seite der Medaille anschauen! Wenn man als Kommunikationsverantwortlicher selbst auch Blogger ist, erfährt man am eigenen Leib spannende Einsichten: Wenn man irgendwann auch wöchentlich unpersönliche emails mit Pressemitteilungen oder Link-Anfragen erhält, so weiss man spätestens dann, wie man es selbst nicht machen sollte. „Hallo wir möchten Ihnen einen tollen Fachartikel anbieten, denn Sie kostenlos so in Ihrem Blog veröffentlichen können“. Das ist nur ein Highlight der Gießkannenansprache. Auch mit „Lieber Herr Brandl“ wurde ich schon angesprochen. Jeder ärgert sich, wenn der Name falsch geschrieben oder sogar das Geschlecht falsch bestimmt wird. Dabei wäre ein sorgfältiger Blick ins Impressum doch so einfach! Und das sind nur die offensichtlichsten Fälle.
Wie es besser geht – In einer perfekten Welt…
In einer perfekten Welt kennt man als Unternehmenskommunikator seine relevanten Influencer, ebenso wie man ja auch in der „klassischen“ PR seit jeher Kontakte zu den relevanten Journalisten und Medienvertretern hält. Man weiss, welche Themen diese Influencer beackern, liest deren Blogs bzw. weiss, worum es thematisch in deren Audio-Podcasts und Videos geht. Wenn man dann ein spannendes Unternehmensthema hat, das auch für den jeweiligen Blogger/ Influencer interessant sein könnte, hat man hoffentlich schon Beziehungen aufgebaut und pflegt diese auch. Dann kann man auch unverbindlich auf den Blogger zugehen und ihm weitere Infos und Material jenseits einer Pressemitteilung zukommen lassen. Dass diese Materialien für den Blogger benutzbar sein müssen, d.h. was Bildrechte etc. angeht, sollte klar sein und soll hier nicht weiter ausgeführt werden.
„Die Pflege persönlicher Kontakte hat oberste Priorität“, konstatiert auch der Bloggerkodex von achtung! Es soll ein Dialog auf Augenhöhe angestrebt werden (“Bingo!”), eine intensive Auseinandersetzung mit Form, Inhalt und Hintergrund der Blogs ist selbstverständlich. Somit wird klar: Blogger Relations kosten Zeit und Mühe, und somit auch Geld. Optimalerweise gibt es für Blogger einen festen Ansprechpartner im Unternehmen.
Weiterführende Links
Wer sich intensiver mit dem Thema „Blogger Relations“ beschäftigen möchte, dem empfehle ich einen Blick in die Texte der Blogparade von Mike Schnoor, auf den achtung! Bloggerkodex sowie in die Aufzeichnung von #CortexTV der Kölner Digitalberatung Cortex digital, wo am vergangenen Donnerstag erst über das Thema diskutiert wurde.
Bilder: freedigitalphotos.net